Ich werde an dieser Stelle etwas über Wicca schreiben, weil es ja um Hexentraditionen geht, und diese werden am auffälligsten noch im "traditionellen Wicca" (im Unterschied zum beliebigen Wicca der selbsternannten Wiccas) weitergegeben. Auch andere Hexen erschaffen Traditionen, in dem Sinne, als daß Tradition "das Weitergegebene" ist. Nur lässt sich das aufgrund der großen Vielfalt der Hexenszene nicht annähernd in einem einfachen Text beschreiben. Also erstmal auf zum Wicca:
Wicca ist ein Mysterienkult dessen Mitglieder sich ebenfalls als Hexen verstehen. Das klingt etwas "falsch herum" weil es ursprünglich Wicca war, oder von Wicca ausging, daß sich das moderne Hexentum stark verbreitete. Ich denke aber, das kann man mittlerweile so sagen. Der Wicca-Kult ist initiatorisch, d.h. um Angehörige dieses Kultes zu werden muss man Wicca-Praktizierende finden und sich von diesen in den Wicca-Kult einweihen lassen.
Ich sehe Wicca nicht als Religion, denn es gehört nicht nur ein Glaube dazu, sondern auch eine Ansammlung spirituell/religiöser Praktiken und auch magischer Praktiken, und diese muss man von den Leuten lernen, man kann sie nicht annehmen wie einen Glauben. Da ich selber keine Angehörige des Hexenkults bin, kann ich dazu logischerweise auch keinen Insiderkram sagen, aber der "Nichtinsiderkram" wurde in Büchern publiziert und darauf greife ich jetzt zurück.
Diese Ansammlung an Praktiken ist zwar von den Wicca (die in ihren Gruppen autonom sind) veränderbar, aber wird eben durch die Initiationsgeschichte und damit einhergehende Ausbildungssituation an die Neuen weitergegeben, so daß es schon eine Kontinuität gibt, jedenfalls wäre das der Idealfall.
Die Geschichte spielte sich in Kürze so ab: Wicca wurde zuerst publik durch Gerald B. Gardner in den 1950er Jahren. Der wurde laut eigener Aussage in einen Coven ("Hexenzirkel" im Wicca-Slang) eingeführt und gründete dann auch seinen eigenen Coven. Die dort ausgebildeten Wicca gründeten wiederum Coven, und so pflanzte sich das Ganze kettenbriefartig fort. Auch noch sehr früh begann ein Alex Sanders, auch mit Wicca und gründete ebenfalls einen Coven, und auch hier begann der "Zellteilungsprozess". Die daraus entstandenen Wicca-"Trads" nennen sich heute Gardnerians und Alexandrians. Es gibt noch 'nen Haufen mehr Traditionen, aber wie es zu diesen kam und was deren Geschichte ist, sollte mensch auf einer ordentlichen Wicca-Seite nachlesen. Ich möchte hier nur dieses Prinzip der "Coven-Fortpflanzung" erwähnen. So vermehren sich die Wicca also im Schulbuch-Idealfall.
Ich gehe hier auch wieder vom "Schulbuch-Idealfall" aus, wie ich das in meinem "Wicca-Schulbuch" (Starhawk: Der Hexenkult als Ur-Religion der Großen Göttin) gelernt habe ;-)
In Wirklichkeit ist das Ganze sehr viel vielfältiger und offenbar kaum zu beschreiben. Denn frag 10 Wicca nach etwas, und du erhältst 12 Meinungen, heisst ein fast schon geflügeltes Wort.
Die Religion von Wicca-Leuten hat sehr stark auch auf Nicht-Wicca gewirkt, und es laufen heut eine Menge Hexen herum, die diese Religion übernommen haben, ohne Angehörige von Wicca zu sein. Was im Kapitel Hexenglaube - Versuch eines Überblicks steht, ist auch bei Wicca nicht falsch. Hinzu kommt daß das Göttliche in einem Pärchen personifiziert ist: Die Große Göttin und der (gehörnte) Gott. Und weiter, daß viele vorchristliche Gottheiten im Wicca eine Rolle spielen, wobei die weiblichen als Aspekte der einen Göttin und die männlichen als Aspekte des einen Gottes verstanden werden. Populär ist der Spruch "Alle Götter sind ein Gott, und alle Göttinnen sind eine Göttin".
Diese Gottheiten stellt man sich nicht einfach nur als Bild hin und zündet davor Kerzen an, sondern die werden sehr oft invoziert. Invokation heisst "Hineinrufen" und das geht von einer Anrufung einer Gottheit, daß sie präsent sein möge über einem engen Kontakt mit ihr, bis hin zu einem Zustand in dem die Gottheit einen selbst als Vehikel benutzt um sich zu manifestieren. Der letztere Fall, dafür gibts im Wicca eben bestimmte Techniken, die gelehrt werden. (Da sind wir schon wieder bei der Tradition). Die Gottheit die in einem Menschen schlüpft, invoziert wird, macht Sinn, wenn man bedenkt daß Wicca idealtypischerweise in der Gruppe ihre Religion ausüben. Sie wird dann für die Gruppe erfahrbar und kann auch agieren. Was mich zum nächsten Punkt bringt:
Aus dem Christentum kennen viele Leut das so, daß der Priester für die Gemeinde den "rituellen Animateur" spielt. Der leitet sozusagen den Gottesdienst an. Im Wicca lernt jede Person "Ritualanimation" und eben die Techniken wie man die weitergegebenen Rituale bewerkstelligt, inclusive Invokation, zum Beispiel. Aus diesem Grund ist es für mich völlig logisch, wenn im Wicca jeder Priester ist. Praktisch jeder, der eine Wicca-Initiation hat, ist damit auch Priester/in. Oft ist es aber trotzdem so, daß auch in Wicca-Coven Leute für die Leitung von Ritualen und die "Vibrations" in der Gruppe verantwortlich sind, das sind dann "Hohepriester/innen". Der Schulbuch-Idealfall-Coven hat je ein Männlein und ein Weiblein, die diesen Job machen. Wenn eine Wicca-Priesterin sagt "meine HP" meint sie damit oft nicht ihre Homepage, sondern ihre Hohepriesterin. (Stimmt leider nicht, war nur so ein schönes Wortspiel. "HP" = Hohepriester, "HPS" = Hohepriesterin, Highpriestess).
Also, die Wicca glauben an die Große Göttin, den Gehörnten in Form einer Naturreligion, sie feiern Jahreskreisfeste, kommunizieren direkt mit ihren Gottheiten, arbeiten magisch, und das alles machen sie traditionell in Coven.
Dazu könnte ich jetzt noch viel mehr sagen, zu mehr Informationen geht ihr bitte zu den Links zum Thema Hexen, da sind ein paar Beispiele für Seiten von Wicca-Leuten.
Distelfliege, Februar 2005